Warum wir bald esoterisch sind!
Wie nennt man es, wenn der Bankberater plötzlich Ihre Hand nimmt, intensiv hineinschaut und dann sanft sagt: „Sie haben ein gaaanz langes Leben vor sich…“ Genau: Transzendentale Verkaufstechniken! Angesichts der mauen Lage der Finanzwirtschaft (Brexit kommt, Wohlstand geht, Mastercard muss hohe Strafe zahlen und die Deutsche Bank ist auch nicht mehr, was sie mal war…) braucht es frischen Wind in der Branche – und neues Personal. Personal, das den allgegenwärtigen Yoga-Trend und veränderte Metropolen-Vorlieben widerspiegelt: Der New-Age Banker kommt!
Dann werden Banken einen neuen, zeitgemäßen Look erhalten: Lichte, luftige Tempel des Geldes mit achtsamkeitsgeschultem Personal. Bald wird der Kunde mit „Namaste“ begrüßt, bevor man sich darüber austauscht, wie die „Energy“ (bitte englisch aussprechen: Enördschie“) grade so ist. Der Berater ist dermaßen genderneutral, dass er „der, die oder das Girokonto“ sagt, und bevor man die Kreditbedingungen erläutert, noch einmal ganz tief gemeinsam ins Licht hinein atmet.
Beratungsgespräche enthalten dann völlig neue Formulierungen: „In welchem Chakra fühlen sie denn diese Aktienstrategie? Im Wurzelchakra, aha – das hat dann also noch ganz viel Wachstumspotential“. Statt „ich überweise das für Sie“ sagt er: „Ich channele das Geld mal kurz rüber.“ Eventuell findet sich das richtige Finanzprodukt auch während der gemeinsamen Praxis von Finanzyoga: „Wir machen jetzt gemeinsam den Baum, um die Kraft unseres Depots zu symbolisieren.“ Darauf sagen Sie: „Der Baum – das ist für mich angesichts momentaner Aktien-Kurse eher eine Trauerweide.“ Worauf er erwidert: „Das ist eben das Schöne am Finanzmarkt – der lehrt uns Loslassen! Und auch, wenn Sie persönlich es jetzt angesichts Ihres Bankrottes ein wenig schwer haben – ihr Konto ist bereits im Nirvana: Es hat sich ins Nichts aufgelöst…“