Warum wir jetzt alles vorverlegen!
Ein spanisches Dorf legte eine Silvesterfeier um 12 Stunden vor, weil das Durchschnittsalter der 25 Bewohner 75 Jahre beträgt und der Bürgermeister befürchtete, die meisten von ihnen würden um Mitternacht schon schlafen oder einen noch tieferen Zustand der Entseelung erreicht haben. Nun ist es nichts Ungewöhnliches, in fortgeschrittenem Alter Dinge vorzuverlegen – unaufhaltsamen Harndrang etwa. Neu ist, dass darauf reagiert wird.
Etwas Ähnliches konnte ich bei der Silvestergala der Oper Leipzig beobachten, die ich moderierte. Der Altersdurchschnitt des Publikums lag um einiges höher als der – sagen wir – einer Friedrichshainer Techno-Party. Das Konzert begann um schon um 18 Uhr, bereits um 20.45 riefen wir frohgelaunt „Prosit Neujahr“ – ein Trend hat uns erreicht: spanische Dörfer mitten in Deutschland!
Das Vorverlegen hat eindeutige Vorteile. Immerhin ist der Nachtschlaf vor Mitternacht der gesündeste. Auch wird vor Einbruch der Dämmerung weniger Alkohol konsumiert. Und die laute Knallerei bringt viele Vögel dazu, orientierungslos gegen feste Gegenstände zu fliegen, was ein vorzeitiges Ableben nach sich zieht. Dann sind da noch die Kosten für die Feuerwerkskörper, die sich bei einer Feier gegen sagen wir mal 15 Uhr drastisch reduzieren dürften – wer will schon ein Feuerwerk, das tagsüber schlecht sichtbar vor sich hin böllert? Etwa 130 Millionen Euro gaben die Deutschen dieses Jahr für Silvesterknallkörper aus – davon könnte man auch 4000 Kita-ErzieherInnen ein Jahr lang bezahlen, um soziale Brennpunkte zu entschärfen, dadurch Terror-Anschlägen vorzubeugen und Münchner Bahnhöfe in der Silvesternacht eventuell nicht evakuieren zu müssen.
Vorverlegen scheint das Gebot der Stunde – in Kuba feiern sie ja auch prinzipiell schon ab mittags. Da kann man abends rechtzeitig ins Bett, spart Energiekosten und lebt länger. Nur Spaß hat man weniger – aber das für eine sehr, sehr lange Zeit!