Warum wir jetzt wieder an Märchen glauben!
Die Wirklichkeit ist häufig hart und unfreundlich. Hilfe gegen die zersetzende Kraft der Realität kommt jetzt aus dem Herzen des Kapitalismus – zurzeit besonders von der Firma Volkswagen. Diese agiert im Kampf gegen den Abgas-Skandal erstaunlich kreativ. So scheinen Vorstandschef Müller und Aufsichtsratschef Pötsch von den Manipulationsvorwürfen schon länger als bekannt gewusst zu haben. Das rechtfertigt VW sinngemäß etwa so: Die hätten erst mal nichts gesagt, um negative Überreaktionen der betroffenen Aktionäre zu vermeiden…
Das ist eine schöne Strategie, die sich auch in anderen Bereichen unseres Lebens durchsetzen sollte. Wenn etwa ein Mann nach der Geburt seines Kindes zu seiner Frau sagt: „Schatz, warum hast du mir nicht gesagt, dass du schwanger bist?“ „Ich wollte negative Überreaktionen der betroffenen Aktionäre vermeiden…“
Der Gesetzgeber in Form der EU-Kommission hat jetzt auf die VW-Abgasaffäre brutal reagiert, indem sie die Unterschiede zwischen Labor- und Straßenverkehrstests kurzerhand… äh, legalisierte. So wird es (ähnlich wie in der Vergangenheit) in Zukunft möglich sein, dass der Ausstoß eines Autos unter realen Bedingungen vom Laborwert um bis zu 50 Prozent abweicht. Der Verbraucher sollte sich vielleicht einfach daran gewöhnen, dass technische Angaben des Herstellers mehr den Märchen zuzuordnen sind als der Realität. Und diese Art der Wirklichkeitsverklärung ist ja auch tief im Wesen gerade der männlichen Bevölkerung verankert. Immerhin gibt es bei der Angabe von Penisgrößen auch gravierende Abweichungen! Vermutlich war also vor der obigen unangekündigten Geburt Folgendes passiert: „Dein Geschlechtsteil ist doch gar nicht 20 Zentimeter lang! Höchstens zehn. Warum hast du nix gesagt?“ „Ich wollte negative Überreaktionen der betroffenen Aktionäre vermeiden!“