Warum wir uns jetzt scheiden lassen!
„Die Welt urteilt nach dem Schein“, sagt schon Goethe. Und weil dem so ist, boomt in Griechenland ein neues Geschäft: Schein-Scheidungen. Da die Menschen so viel Not leiden und man dort leichter und lohnender Sozialleistungen als Single bezieht, lässt sich eine wachsende Anzahl von Paaren zum Schein scheiden. So traurig es ist, dass die Griechen zu solchen Mitteln getrieben werden, so spannend finde ich das Konzept für uns Deutsche.
Einer ganzen Reihe Menschen würde eine Schein-Scheidung mal ganz gut tun. Schon weil so viel Schein-Ehen gibt, die nur noch auf dem Papier bestehen. Da könnte ein ganz neuer Wind wehen, wenn es auf Partys heißt: „Stellen Sie sich vor! Irene und Jürgen leben jetzt in Schein-Scheidung.“ „Ach, wirklich?“ „Ja, und es tut ihnen so gut. Jeder von ihnen hat jetzt eine Affäre. Also eine Schein-Affäre. Und dann betrügen die beiden ihre neuen Partner ständig mit sich selbst in irgendwelchen Hotels. Ihr Liebesleben hat eine nie gekannte Dynamik entwickelt.“ „Aber was ist denn mit dem Ehegatten-Splitting?“ „Das ist ja das Irre: Das machen Sie nebenher auch noch. Die Schein-Scheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die beiden proben schon mal, vor dem Scheidungsrichter eine Riesen-Show abzuziehen und sich dann heulend in die Arme zu fallen, um sich erneut das Ehe-Versprechen zu geben.“ „Unglaublich.“ „Nicht wahr? Herbert und ich wollen jetzt auch eine Schein-Scheidung. Möchten Sie nicht heut Nacht mein Scheidungsgrund sein?“
Das Erbe der Antike, es lebt. Die Griechen sind nach wie vor Großmeister der Illusion. Bis vor einigen Jahren gab es auf Kreta noch Schein-Lebendige, also Menschen, die bereits verstorben waren, aber noch Sozialhilfe (für die Angehörigen) bezogen. Obwohl ich neulich mit der U-Bahn durch den Wedding fuhr und dachte: „Das ist nicht nur ein griechisches Phänomen.“ Aber vielleicht urteile auch ich da nur nach dem Schein…