Warum der Hermannplatz Weltgeschichte schreibt!
Musik kann sehr schön sein. Oder als Waffe eingesetzt werden. In Graz fand man heraus, dass hohe Pfeiftöne, die eigentlich Tauben vertreiben sollten, auch Teenager und Kinder fernhielten. Ohne Tauben keine Kinder, wer hätte das gedacht? Nicht umsonst muss man „vögeln“, um welche zu kriegen… Am Hamburger Hauptbahnhof wurde Klassik mit Erfolg eingesetzt, um Drogensüchtige zu vertreiben. Statt der Junkies tummeln sich jetzt dort allerdings haufenweise konservative Kettenraucher, die im Opernfoyer nicht mehr qualmen durften.
Der Bahnhof Hermannplatz wollte bis vor kurzem noch radikaler sein und Junkies mit „atonaler Musik“ vertreiben. Doch dann erkannten die Verantwortlichen die Kollateralschäden: Jede Musik zieht schließlich auch eine Klientel an, die sie mag. Statt Junkies werden dann Fans der „freitonalen“ Musik, also Intellektuelle mit Rollkragenpulli und Armani-Hose, bei Wein und französischen Edelschimmelkäse-Picknick den Hermannplatz unsicher machen. Diese werden Passanten militant um eine milde Spende für ihr nächstes Kulturprojekt anbetteln – ein Künstlerdorf in Meck-Pomm, das die Werke von Jean-Paul Sartre als Opernzyklus aufführt und gleichzeitig abstrakt malt!
Das Risiko war dann doch zu groß. Stattdessen sollen dort jetzt Affengeschrei und Papageiengeräusche ertönen. Doch wen lockt das an? Schlagerfans, die an eine neue Single von Thomas Anders denken? CSU-Wähler, die das für eine von Horst Seehofers gelungensten Wahlkampfreden halten? Oder gar die letzten Nachfahren der Neandertaler, also Kollegah und Farid Bang? Eventuell wechseln die Junkies, von Dschungelgeräuschen inspiriert, auch einfach die Droge – also von Heroin zu Ayahuasca, dem zurzeit angesagten psychedelischen Drogengebräu aus dem Regenwald. Dann gesellt sich zur Klangverschmutzung auch noch die Belästigung eines weiteren Sinnes, denn Ayahuasca „reinigt“ den Magen durch heftigen Brechreiz…